Alle reden von Rohstoffknappheit. Dabei haben wir eine ganze Menge Rohstoffe. Man muss nur genau hinsehen. Und zugreifen, wenn die Zeit dafür reif ist. So stecken etwa riesige Berge an Materialien seit Jahrzehnten in Häusern, Böden, Konsumgütern oder Infrastrukturen. Ihr Potenzial als zukünftige Quelle für Sekundärrohstoffe ist enorm. Gerade in Gebäuden ist jede Menge enthalten, das man weiter- und wieder nutzen kann: Fenster, Heizungen, der Beton aus den Mauern, die Ziegel von den Dächern, der Kies unter den Fundamenten, das Holz aus den unterschiedlichsten Einbauten. Schauen Sie aus dem Fenster! Die Materiallager von morgen liegen direkt vor Ihrer Nase.
Laut Umweltbundesamt ist Urban Mining „die integrale Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers mit dem Ziel, aus langlebigen Gütern sowie Ablagerungen Sekundärrohstoffe zu gewinnen“. Anders ausgedrückt wird beim Urban Mining alles vom Elektrogerät übers Auto bis hin zu Bauwerken und vermeintlicher Müll von Deponien als Schatztruhe für Sekundärrohstoffe in Betracht gezogen. Egal übrigens, ob noch aktiv genutzt und erst in absehbarer Zukunft freigesetzt, oder bereits am Ende des Nutzungshorizonts. Eine Sonderdisziplin des Urban Mining ist das sogenannte Landfill Mining. Es bezeichnet die Gewinnung von Wertstoffen aus Altdeponien.
Baustellen als Goldgruben: Vieles kann wiederaufbereitet und wieder eingesetzt werden, statt auf der Deponie zu landen.
Aufspüren, erkunden, erschließen, herausholen, aufbereiten. Das sind die einzelnen Schritte für ein effektives Urban Mining. Wobei die Arbeit eigentlich schon viel früher losgeht oder losgehen sollte, nämlich bei der Produktion („Cradle-to-Cradle“-Prinzip). So verraten etwa im Bausektor Materialpässe (digitale Datensets), welche Rohstoffe, wo und in welcher Menge verbaut wurden. Bei Neubauten sind diese Pässe dringend angeraten, denn sie sind entscheidende Tools für mehr Zirkularität in der Baubranche und wichtige Dokumente für alle aktuellen oder künftigen Stakeholder. Bei älteren Gebäuden ist die Sache etwas schwieriger. Doch geben Daten wie Baujahr und Lage sowie Herkunft und Qualität von verbauten Materialien Aufschlüsse oder zumindest Schätzungen.
Urban Mining beinhaltet fünf Leitfragen:*
- Wo sind die Rohstofflager?
- Wie viele und welche Materialien sind enthalten, die als Sekundärrohstoffe genutzt werden können?
- Wann werden die Lager für die Rohstoffgewinnung verfügbar?
- Wer ist an der Erschließung beteiligt?
- Wie lassen sich Stoffkreisläufe effektiv schließen?
Die Vorteile von Urban Mining auf einen Blick:
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- Kostenersparnis durch weniger Importe von Rohstoffen
- CO₂-Reduktion durch weniger Transportfahrten zu Deponien
- Schonung natürlicher Ressourcen, die zunehmend verknappen
- Weniger Abfall in den Deponien
- Weniger illegale Abfallentsorgung im Ausland
- Regenerationsmöglichkeiten der Natur
- Besseres Verständnis von Material- und Gebäudewerten
Ein anschauliches Beispiel für effektives Urban Mining ist Deutschlands bekannteste Großbaustelle im Münchner Norden auf dem Areal der ehemaligen Bayernkaserne: